Fasten - Lifestylekram oder doch viel mehr?

vom 04.05.2021

Fasten oder glamourmäßig "Detox" kommt in den letzten Jahren immer mehr aus der vermeintlich verstaubten Ecke heraus. Doch jetzt kommt zum alten Image "esoterisch-spiritueller Kram der Ökoszene" noch das Klischee des "Lifestyle-Hit der Stars und Sternchen" dazu. Ist das so? Dazu mehr in diesem Blog-Beitrag.

Frage

Religiöser Quatsch oder raffinierte Strategie?

In nahezu allen Weltreligionen gibt es das Fasten - mit dem Hintergrund sich über Enthaltsamkeit dem Glauben stärker zu nähern, ihn stärker zu verinnerlichen. Das führte unter anderem dazu, Fasten in die spirituelle Ecke zu drängen. Wobei das Drängen hier offensichtlich eher darauf basierte, dass eben "Fasten" einfach nur platt mit "Religion" in Zusammenhang gebracht wurde. Schaut man genauer hin und hinterfragt "Warum eigentlich nähert man sich dem Glauben stärker, wenn man fastet?" ergibt sich direkt die Anschlussfrage "Was passiert denn beim Fasten?".

Nein - es erscheinen einem nicht die jeweiligen Gottheiten, weil wir über einen bestimmten Zeitraum auf bestimmte Nahrungsmittel oder aber vollständig auf Essen verzichten. Wenn, dann vielleicht eher durch besondere meditative Einheiten - sofern gewünscht - aber das geht deutlich über meine Kompetenz hinaus.

Was passiert also?

Nun, recht einfach dargestellt bringt uns Fasten Freiraum. Erst einmal brauche ich mich beim klassischen Heilfasten nicht um die Organisation rund um Essen kümmern - kein Geld abholen, keinen Einkaufszettel schreiben, kein Einkaufen, kein Kochen, kein Abwasch... Das bringt Zeit - Zeit sich intensiv zum Beispiel dem Glauben zu widmen. Des Weiteren entsteht durch diesen Freiraum auch Freiraum im Denken und somit Platz, sich mit dem Glauben auseindersetzen zu können, sich dem Glauben mehr zu nähern. Ein wunderbarer Nebeneffekt ist, dass der Körper auch mehr Raum - Freiraum bekommt - Zeit hat, sich von Altlasten zu befreien, zu regenerieren.

Aus Studien weiß man, dass unter anderem diejenigen Botenstoffe verstärkt ausgeschüttet werden, welche für gute Stimmung sorgen. Die Organe, welche für die innere Entgiftung/Entsorgung zuständig sind, werden entlastet und können ebenfalls regenerieren. Das verstärkt die Möglichkeit, sich gesund tiefer mit dem Glauben zu beschäftigen.

Und da ein Zeitraum einen Anfang und ein Ende hat, steht am Ende der Fastenzeit ein jeweiliges Fest. An diesem Fest - christlich z.B. Ostern - entfaltet sich die besondere Tiefe der erworbenen Glaubensstärke und es wird neudeutsch "richtig auf die Pauke gehauen". Festliche Essen und wunderbare Gelage lassen die Verbindung unter den Glaubensanhängern besonders in den Vordergrund treten und die Gemeinden gehen gestärkt in den nächsten Lebensabschnitt.

Hmmm - wenn wir das als Strategie betrachten, dass sich durch Fasten die Möglichkeit ergeben könnte, sich mit einem Thema ganz besonders gut zu beschäftigen, tiefer einzusteigen, gestärkt und erholt in einen neuen, nächsten Lebensabschnitt gehen zu können - erscheint das Thema Fasten nicht mehr nur komisch spirituell, sondern als clevere Strategie.

Wiese eigentlich Detox?

Heute ist das Fasten schon mehr denn je gesellschaftsfähig geworden. Immer mehr Hotels und Wellnessanbieter haben es entdeckt. Damit es dann marketingstrategisch besser läuft, hat man aus Fasten dann "Detox-Kur", "Entschlackungskur", "Entgiftungskur" ... gemacht. Das hat die Fastengegner noch mehr auf den Plan gerufen. Nicht nur, dass es spiritueller Kram sei, jetzt verkommt es auch noch zum Lifestylehype mit unwissenschaftlichen Ausdrücken. Das kann ja nur Scharlatanerie sein. Wie so oft bei radikalen Ansichten, scheint auch hier ein gefährliches Mix aus eigener Unsicherheit, ablehnen von Hintergrundinfos und mangelhafter Toleranz vorzuliegen - ein abendfüllendes Thema.

Entgiften ist mir zu dramatisch. Bei einer Vergiftung muss ich ins Krankenhaus. Da hilft auf den ersten Blick kein Fasten. Aber die "Altvorderen" hatten früher eben auch einen Hang zu großen Ausdrücken. Und heute müssen die Stars und Sternchen halt englische Ausdrücke nehmen. So wurde aus Entgiftung das Detox.

Oh je - Entschlackung vielleicht?

Entschlackung ist auch schwierig. Wobei Wissenschaftler genau benennen können, welche Stoffe durch das Fasten vorrangig den Körper verlassen. Nun hört sich Schlacke an wie Müll, Asche, Abfall - ist auch nicht ganz falsch. Im Körper entstehen durch unterschiedliche Stoffwechselprozesse Abbauprodukte, die den Körper wieder verlassen müssen. Dafür hat der Körper seinen wunderbaren Entlastungs- oder auch Entgiftungsorgane - man darf auch Ausscheidungssystem sagen. Zu diesem wichtigen System unseres wunderbaren Körpers gehören

  • Haut    -> wässrige Ausscheidung (schwitzen)
  • Nieren -> wässrige Ausscheidung (via Harnblase)
  • Lunge -> gasförmige Ausscheidung (abatmen)
  • Darm  -> feststoffliche Ausscheidung (Stuhlgang)
  • Leber -> flüssige Ausscheidung (via Galle und Darm)

Nehmen wir zum Beispiel das Kohlendioxyd, welches wir über die Lunge abatmen - ein Abbauprodukt aus dem Sauerstoff-Stoffwechsel. Oder aber z.B. die Gallensäuren, welche im Leberstoffwechsel produziert werden und über den Gallesaft und den Darm mit dem Stuhlgang ausgeschieden werden. Der Darm als solches sorgt dafür, das unverdauliche und nicht benötigte Nahrungsbestandteile mit dem möglichst täglichen Stuhlgang ausgeschieden werden.

Nach und bei großer Anstrengung dient der Schweiß unter anderem dazu, Abbauprodukte aus dem Muskelstoffwechsel über das Ausscheidungsorgan Haut abzugeben. Zu guter Letzt werden beim Wasser lassen über den Urin wässrige Abbauprodukte durch das Entgiftungsorgan Niere und seinem Helferlein Harnblase ausgeschieden - zum Beispiel die Harnsäure, welche unter anderem bei der Verdauung von Fleisch und der Verstoffwechselung dessen Inhaltstoffen entsteht.

Wie wäre es mit Aufräumen, Entlastung oder Reset-Taste?

Ich mag "Entlastung", "Aufräumen", "Sauber machen" oder auch "auf die Reset-Taste drücken". Es gibt unterschiedliche Methoden und Ansätze, Körper und mentale Kraft über das Fasten fit zu machen. Fasten heißt nicht, dass immer vollständig auf Nahrung verzichtet werden muss. Je nachdem, wofür das Fasten dienlich sein soll, sollte die Fastenmethode ausgesucht werden. Unterm Strich ist der gesundheitliche Effekt, den Fasten für den Körper und die mentale Kraft hat, der wichtigste. Bleiben wir bei der Übersetzung "Aufräumen".

Sie wollen ein Blumenbeet neu bepflanzen. Um für ein gutes Pflanzenwachstum zu sorgen, braucht es erst einmal ein "Aufräumen". Unkraut raus, Pflanzen- und Wurzelreste werden entfernt, die Erde aufgelockert. Die vorhandenen Blumen werden von Abgeblühtem befreit, ggfs. etwas gestutzt.
Und dann, dann ist das Beet bereit, für neue Blumenkinder. Und deren Wachstum und künftige Blütenpracht ist in der liebevoll aufgeräumten Umgebung nahezu garantiert!

Fasten für "Gesunde"

Rufen wir uns noch einmal den religösen Hintergrund ins Gedächtnis, so ist Fasten eine besonders gute Strategie, um sich auf spezielle Aufgaben zu besinnen.
Einen besonders guten Erfolg von Fasten verbuchen Menschen, die folgende Ziele verfolgen

  • die Erweiterung des eigenen Erfahrungsschatzes "Was noch alles geht?!",
    also die mentale und körperliche Balance herzustellen und zu stärken
  • durch Entlastung das persönlich Wesentliche in den Fokus zu rücken
  • die Haltung gegenüber der Anforderung im Alltag zu stärken
  • einen starken Impuls für eine zukünftig gesunde Ernährung setzen
  • Erlernen einer Methode, die Gesundheit in die eigenen Hände zu nehmen

Wenn Sie zum ersten Mal ein Fastenerlebnis anstreben, so empfiehlt sich in jedem Fall eine professionelle Begleitung oder mindestens Anleitung.
Es gibt unterschiedliche Methoden - man muss z.B. nicht zwangsweise vollständig auf Nahrung verzichten. Sowohl Start als auch Ziel definiert die Fastenmethode.

weitere Infos finden Sie unter folgenden Links:

https://info.arte.tv/de/fasten-der-religionen

https://www.researchgate.net/publication/246373701_Leitlinien_zur_Fastentherapie